1966 kam ich zu den Berliner Meisel-Verlagen, lernte dort Verlagskaufmann und durfte
nebenbei meine ersten Schlagertexte schreiben für die Stars, die dort ein- und ausgingen.
Meistens schafften es meine Texte nur auf die Single-Rückseiten. Ich wurde als Anfänger
belächelt. Bis auf einmal eine B-Seite zur A-Seite wurde - ,,Die Platte dreht sich", nennt man
das im Branchenjargon. Der Song hieß ,,Du liebst nur einmal" mit Erik Silvester. Ich schrieb
vier Texte für eine junge Schwedin, mit deren deutscher Karriere es leider nicht klappte. Im
Nachhinein war das gut so, denn Agnetha Fältskog wurde später die blonde Sängerin von
ABBA.
Allmählich kamen die ersten Erfolge: ,,Mamy Blue" (Ricky Shayne), ,,Sommer in der Stadt"
(Wolfgang Petry), ,,Jeder Weg hat mal ein Ende" (Marianne Rosenberg), ,,Am Tag als Conny
Kramer starb" (Juliane Werding) und ,,Rocky" (Frank Farian). Nun wurde es Zeit, meinen
Traum zu verwirklichen: Ein eigenes Tonstudio!
Die ersten Künstler, die ich dort ins Mikrofon sangen, waren Jürgen von der Lippe (,,Sing was
Süßes"), Klaus Lage (,,Die Musikmaschine") und die Gebrüder Blattschuss (,,Kreuzberger
Nächte"). Damals war ich oft als Talentscout unterwegs, auf Events wie dem Folk Festival in
Osnabrück. Dort erlebte ich die schottische Folk-Rock-Gruppe New Celeste. Fünf quirlige
Musiker mit Gitarren, Violinen, Bassgitarre und Gesang entfachten einen erfrischenden
akustischen Wirbelsturm, der alle anderen von der Bühne fegte. Und mir war klar: Die musste
ich haben!
Wenig später staunten die Nachbarn nicht schlecht, als ein großer Bandbus mit gelben
Nummernschildern vor dem Haus parkte. Ein paar Wochen lebten die Jungs in meinem
Wohnmobil, Frühstück, Mittag- und Abendessen und Studioarbeit - alles gemeinsam machte
Spaß und war andererseits auch anstrengend. Meine 8-jährige Tochter lernte nebenbei ihre
ersten englischen Worte. Als der Bandbus mit kaputter Lichtmaschine zu Mercedes in
Marienfelde musste, war es mir peinlich, wie arrogant man dort ausländische Kunden
abkanzelte. Erst nach meiner Beschwerde kriegten wir die Werkstatt an den Start.
Mein damaliges Studio bestand aus einem umgebautes Bühnenmischpult und einer
16-Spur-Maschine. Meistens bediente ich die Regler selber. Doch die Jungs von New Celeste
waren ausgezeichnete Musiker, es fehlte ihnen nur das Schlagzeug. Für einen Drummer, der
gewohnt ist, den Takt anzugeben, ist nachträgliches Trommeln zum Playback aus den
Kopfhörern ein nerviger Job. Aber Christian Evans war ja Profi. Ich ließ Mohammad
Tahmasebi die persische Dombac bei ,,My Keepers" spielen und Rüdiger Sünner Flöte. Henry
Hirsch aus New York die Keyboards.
,,P. Stands For Paddy" ist noch heute einer meiner Lieblingstitel, vor allem wegen der
fantastischen Gitarre von Graeme Duffin, die dem Song einen leichten Jazz-Flair gibt. Graeme
wurde später Gitarrist bei ,,Wet Wet Wet". Wer genau hinhört, wundert sich vielleicht, dass der
Bass ab der Mitte des Songs plötzlich von allen Seiten zu kommen scheint. Wie haben die das
gemacht - wo es damals diese ganzen digitalen Effektgeräte noch nicht gab? Das soll unser
Geheimnis bleiben...
Für die Mischung war mein Studio nicht gut genug, also mietete ich das Hansa Studio (Big
Hall By The Wall), wo später David Bowie, Nick Cave, U 2 und Depeche Mode aufnahmen.
Unser Album ,,On The Line" wurde mit großen Erwartungen veröffentlicht, teilte dann aber das
Schicksal von "On the Corner" (Miles Davis) or "Village Green" (The Kinks) or "Pink Moon"
(Nick Drake). Alben, die ihrer Zeit weit voraus waren, anfangs floppten und erst mit der Zeit
Klassiker wurden. Iain Fergus, der Lead-Sänger und Bandleader, brachte mich auf die Idee,
das Album jetzt neu zu veröffentlichen. Wenn ich mir die Aufnahmen heute anhöre, klingen sie
frisch wie am ersten Tag. Und die digitale Bearbeitung von Dave Foister sorgt zusätzlich für
den zeitgemäßen Sound.
Ulli Weigel
Quelle: Meisel Music
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